Die TeufeIskrallen im Kreuzgang des
Merseburger Domes
An den Säulen des Kreuzganges finden
sich zahlreiche Rillen, die der Volksmund als Teufelskrallen bezeichnet. - Als der
Baumeister nämlich den Auftrag zur Errichtung des Kreuzganges erhalten hatte, wollten ihm
seine Pläne und Risse nicht gelingen und das Ganze erschien ihm immer noch nicht schön
und gut genug. Aus Wut und Zorn zerriß er daher seine Pläne und rief aus: "Mag der
Teufel den Kreuzgang bauen, ich bringe's nicht." Kaum waren diese Worte aus seinem
Munde gekommen, da antwortete ihm eine Stimme: "Was gibst Du mir, wenn ich den
Kreuzgang baue?" - Erschrocken wandte sich der Meister um und sah den Teufel vor sich
stehen. Dieser sprach weiter: "Du hast mich gerufen. Versprichst Du mir Deine Seele,
so will ich Dir den Kreuzgang bauen, wie er nirgends schöner ist." - Da bedachte
sich der Baumeister einige Zeit, dann lächelte er und sprach: "Ich bin's
einverstanden, aber der Kreuzgang muß in jeder Hinsicht vollkommen sein, sonst gilt unser
Vertrag nicht!"
Nun fing der Teufel an zu bauen, und unter seinen Händen entstand ein Kreuzgang, wie es selten einen gibt. Als das Dach aufgesetzt war, ging er zu dem Baumeister und sprach: "Der Kreuzgang steht, wie ich Dir versprochen habe, und nun bist Du mein!" - Doch der Baumeister antwortete: "Ist er auch vollkommen, wie ich es als Bedingung gestellt habe?" Und als der Teufel das bejahte, sprach der Baumeister: "Erst muß ich das Werk beschauen." In der Nacht aber schickte er heimlich zu einem Priester und bat ihn, er möge den Bau mit geheiligtem Wasser besprengen und weihen, was der Priester am anderen Morgen früh auch tat.
Als nun am anderen Tage der Teufel mit dem Baumeister den Kreuzgang betrat, konnte es der Satan kaum aushalten, denn den Duft des heiligen Wassers kann der Teufel kaum vertragen und es kitzelt ihn in der Nase. Doch der Baumeister nötigte ihn hinein, und als sie in der Kapelle am Westflügel standen, sprach der Baumeister: "Wo ist denn der Altar mit dem Bild des gekreuzigten Heilandes? Die Kapelle ist doch nur mit dem Altar vollkommen!" Da merkte der Teufel, daß er gefoppt worden war, denn ein Bild des Heilandes konnte er nicht schaffen. Er fuhr vor Wut in den Hof hinaus bis an den Ostflügel und stürzte auf die Säulen zu, um sie fortzureißen und den Kreuzgang zum Einsturz zu bringen und damit den Baumeister zu erschlagen, wenn er schon nicht so seine Seele bekam. Aber seine Kraft versagte an den geweihten, Steinen und nur wo seine Krallen in den Stein griffen, blieben die heute noch sichtbaren Spuren zurück.
Zur Erinnerung daran, ließ der Baumeister noch sein Bild an der südöstlichsten Kreuzgangsecke anbringen, wie er voll Spott dem Teufel, und auch allen neugierigen Beschauern, den nackten Hintern zeigt.