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klopsto1.jpg (12308 Byte)Friedrich Gottlieb Klopstock

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Friedrich Gottlieb Klopstock, deutscher Dichter der Empfindsamkeit, setzte gegen die rationalisierte Sprache der literarischen Aufklärung und die Form der Anakreontik eine rhythmisch-musikalisch, von individuellen Empfindungen getragene Sprache. Mit dem 1748 in Leipzig veröffentlichten Epos "Messias" begründete er seinen literarischen Ruhm. Seine 1771 erschienenen Oden, in freien Rhythmen verfaßt, besingen Freundschaft, Liebe, Gott, Natur und Vaterland. Klopstock gilt als Wegbereiter der deutschen Klassik.

"Man kann Klopstock nur in wenigen Stücken lesen, im großen und ganzen muß man ihn studieren." Klopstock - der "Messias-Sänger", "Erneuerer der deutschen Dichtersprache", "Patriot und Revolutionär" und "erster bürgerlicher Subjektivist"? All diese Titulierungen für einen der bedeutendsten Dichter des 18. Jahrhunderts lassen sich aus seinem Lebenswerk heraus erklären. Klopstock wurde von seinen Zeitgenossen gefeiert und gelobt, aber schon im 19. Jahrhundert nicht mehr so recht verstanden. Im ausgehenden 20. Jahrhundert spürt man bei der Lektüre vieler seiner Texte eine gewisse Entfremdung. Dies ist normal, denn das ästhetische Dichtungsempfinden der vorklassischen Epoche spricht heutiges, modernes Empfinden nicht mehr an. Trotzdem lohnt es, aus einer gewissen Distanz heraus, sich mit Klopstocks Texten zu beschäftigen, denn er gilt als Wegbereiter der deutschen Klssik und wirkt auch heute noch produktiv auf die aktuelle Gegenwartsliteratur (zum Beispiel im Werk von Peter Rühmkopf).

"Nun sollte aber die Zeit kommen, wo das Dichtergenie sich selbst gewahr würde, sich seine eigenen Verhältnisse selbst schüfe und den Grund zu einer unabhängigen Würde zu legen verstünde. Alles traf in Klopstock zusammen, um eine solche Epoche zu begründen (...) Die Würde des Gegenstandes erhöhte dem Dichter das Gefühl eigener Persönlichkeit." (Johann Wolfgang Goethe, Dichtung und Wahrheit)

Klopstock kam aus einer bürgerlichen Familie, die aufgrund des Bankrotts des väterlichen Wirtschaftsunternehmens und damit verbundener Schulden einen sozialen Abstieg in Kauf nehmen mußte. Sein Vater gab 1732 das sichere Amt des fürstlich-mansfeldischen Kommissionsrates in Quedlinburg auf und gründete ein agrarisches Großunternehmen bei Friedeburg/Saale, in einer Zeit, in der sich der Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft vollzog. Das Unternehmen schlug fehl. Es folgten Schuldenprozesse und soziale Deklassierung. Klopstock war das älteste von 17 Kindern. Dank eines privaten Gönners konnte er von 1739 bis 1745 die Fürstenschule Schulpforta besuchen, die vor allem die klassischen Studien pflegte. Hier las er zum ersten Mal Pyras Lehrgedicht von der wahren Dichtkunst und erwarb seine Vorliebe für antike Autoren, vor allem Homer und Horaz. In seiner Abschiedsrede in Schulpforta forderte Klopstock unter dem Einfluß dichtungstheoretischer Schriften von Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger die Schaffung eines repräsentativen "deutschen Heldenepos" mit Hinwendung zu religiösen Stoffen.

Immanuel Jakob Pyra verkündete 1737 in seinem Lehrgedicht "Tempel der wahren Dichtkunst" einen priesterlichen entflammten Dichtertyp, der der Poesie neuen Ernst und neue Würde verleihen sollte. Damit distanzierte sich Pyra von den geschlossenen Reimen und kunstvollen Strophen der Anakreontiker und ihren oberflächlich-sinnlichen Reizen, die nur ein "verwöhntes Ohr kitzeln". Stattdessen wünschte er sich eine Poesie, die das Herz rührt und im "Wechselsang gleichgestimmter Seelen" wahre, erlebte Gefühle vermittelt. Der junge Klopstock war von Pyras Gedicht beeindruckt und begann, die alte Idee des weihevollen Dichterpriesters in seinem Werk umzusetzen. Während seines nie beendeten Theologiestudiums an den Universitäten Jena und Leipzig (1745-1748) verfaßte er die ersten drei Verse des Erlösergedichts "Der Messias", sein wohl wichtigstes und bekanntestes Werk:

Sterbliche, kennt ihr die Ehre, die euer Geschlechte verherrlicht, Da der Schöpfer der Welt, als Erlöser, auf Erden gekommen: So hört meinen Gesang, ihr besonders, ihr wenigen Edlen, Teure gesellige Freunde des liebenswürdigen Mittlers, Ihr mit der Zukunft des großen Gerichts vertrauliche Seelen, Hört mit, und singt den ewigen Sohn durch ein göttliches Leben.

Der Plan für den "Messias" reifte schon in Schulpforta - angeblich in einer schlaflosen Nacht durch göttliche Eingebung. 1748 wurden die drei Verse in den "Bremer Beiträgen" erstmals veröffentlicht. Die Herausgeber und Mitarbeiter dieser literarischen Zeitschrift waren Leipziger Studenten der Gottscheder Schule, grenzten sich jedoch bewußt von der rationalistischen Dichtungsauffassung Gottscheds ab und favorisierten die freiere Kunstauffassung von Haller, Bodmer und Breitinger. Die veröffentlichten Texte bezeugten ein neues Lebensgefühl, geprägt von Natürlichkeit, Phantasie und Gefühl. Durch die Veröffentlichung des "Messias" erlangte die Zeitschrift über Nacht an Bedeutung. Im "Messias" spiegelt sich Klopstocks literarische Programmatik auf einzigartige Weise wider: eine reiche Phantasie, die Irdisches und Überirdisches erfaßt; nicht Verstand, sondern Gefühl dominiert; statt französischer Alexandriner, Hexameter und eine Sprache, die charakterisiert ist durch freie und fortreißende Rhythmen und Sprachschöpfungen. Dies brachte ihm unter Zeitgenossen den Ruf des Reformators der poetischen Sprache ein. Der "Messias" wurde erst 1773 von Klopstock vollendet und umfaßt 20 Gesänge mit über 20.000 Versen. Er gilt als Höhepunkt der empfindsamen Dichtung in Deutschland. Während die französische Klassik religiöse Themen meidete und die zeitgenössische englische Literatur das Christentum als reine Tugendlehre verstand, vermochte Klopstock den Bibelstoff wieder zum Thema großer Dichtung zu machen. Das empfindende Ich (Einheit von Denken und Handeln) spricht stellvertretend für andere Individuen und sorgt so für eine Einheit von Dichter und Leser. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb kürzester Zeit wurde der "Messias" in alle europäischen Sprachen, ja sogar ins Arabische und Persische, übersetzt. Viele unbekanntere Dichter wie Franz von Sonnenberg oder Johann Jakob Hess begannen, es Klopstock gleich zu tun. Lessing allerdings versprach diesen Dichtern nicht die "erträumte Ewigkeit", die Klopstock zuteil werden sollte, sondern nur "höhnisches Gelächter".

Nach seinem abgebrochenen Studium nahm Klopstock 1748 eine Hauslehrerstelle bei dem wohlhabenden Kaufmann Weiss in Langensalza/ Thüringen an. Hier verliebte er sich hoffnungslos in seine Cousine Maria Sophia Schmidt, die Fanny seiner Oden "An Fanny". Klopstock schrieb an Bodmer: "Ich liebe das zärtlichste und heiligste Mädchen auf"s zärtlichste und heiligste. Sie hat sich noch nie gegen mich erklärt, weil unser Stand so verschieden ist."

Aufgrund der Kindheitserfahrungen Klopstocks war er immer bestrebt, finanzielle Sicherheit für seine schriftstellerische Tätigkeit zu haben. Er bemühte sich um Anstellungen als Hofmeister und Professor - zunächst ohne Erfolg. 1750 reiste Klopstock auf Einladung Bodmers nach Zürich. Aufgrund der Lebenshaltung des jungen Klopstocks kam es recht bald zu einem Zerwürfnis zwischen beiden Freunden. Bodmer erwartete, daß die "Heiligkeit des poetischen Berufes" auch das Leben Klopstocks bestimmen sollte. Stattdessen vergnügte sich Klopstock mit der Züricher Jugend und nahm voller Lebenslust an Gelagen und Ausflügen teil. Während der Züricher Zeit entstand Klopstocks berühmteste Ode "Der Zürchersee":

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht Auf den Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht, Das den großen Gedanken Deiner Schöpfung noch einmal denkt.

Von des schimmernden Sees Traubengestaden her, Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf, Komm in rötendem Strahle Auf den Flügeln der Abendluft,

Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter sein, Süße Freude, wie du! Gleich dem beseelteren Schnellen Jauchzen des Jünglings, Sanft, der fühlenden Fanny gleich.

Keiner beherrschte die Technik der Odendichtung von Horaz so meisterhaft wie Klopstock. Viele Dichter (zum Beispiel Georg Philipp Harsdörffer) versuchten sich ohne Erfolg an der Odendichtung. Klopstock handhabte die antiken Versmaße sehr freizügig und entwickelte die antike Odendichtung weiter, indem er seine Oden in freien Rhythmen verfaßte. Diese reimlosen, ungebundenen und doch stark rhythmisch bewegten Verszeilen ermöglichten Klopstock eine größere Ausdrucksfähigkeit freiströmender Empfindungen. Die freien Rhythmen wirkten "revolutionär" und fanden Nachahmung in den Werken Goethes, Heines und Hölderlins sowie dem musikalischen Werk Richard Wagners. Thematisch sind Klopstocks Werke von inniger Freundschaft, edler Liebe, Gottesverehrung, Naturgefühl, Vaterland und Freiheit geprägt. Als 1771 die erste Originalsammlung seiner Oden erschien, gab es für Klopstock noch einmal, wie für den "Messias", Beifall und Bewunderung.

1751 begab sich Klopstock an den Hof des dänischen Königs Friedrich V. nach Kopenhagen, um dort für eine jährliche Pension in Höhe von 400 Talern seine Arbeit am "Messias" fortzusetzen. 1770 kehrte er nach Deutschland zurück, bekam aber bis zum Tod des dänischen Königs seine jährliche Pension weitergezahlt.

"Wir Gelehrte müssen wenigstens im Stande der Gleichheit leben." (Klopstock)

1768 erfuhr Klopstock von den Plänen des Wiener Hofs, eine Akademie der Künste und Wissenschaften zu gründen. Für diese Akademie entwickelte er eigene Vorstellungen und teilte diese dem Wiener Hof über eine umfangreiche diplomatische Korrespondenz mit. Klopstock versuchte, Kaiser Joseph II. zur Etablierung und Förderung einer selbstverantwortlichen "deutschen" Gelehrtenrepublik zu bewegen. Die Ergebnisse seiner Überlegungen veröffentlichte Klopstock 1774 in seiner wichtigsten Prosaschrift "Die deutsche Gelehrtenrepublik". In schwer verständlicher historisierend-satirischer Einkleidung entwickelte Klopstock ein Konzept zur Vereinigung aller deutschen Dichter und Gelehrten. Er forderte die Gründung eines deutschen Nationaltheaters mit Gotthold Ephraim Lessing als Dramaturgen sowie die Pflege der Literatur, Kunst, Philosophie und Geschichtswissenschaft. Weiterentwickelt wurden die Grundgedanken der "Fragmente über die neuere deutsche Literatur" (1766-1767) Johann Gottfried Herders - die Befreiung der deutschen Literatur von der Nachahmung des Auslandes in Inhalt und Sprache sowie das Streben nach selbständiger Betätigung in Kunst und Wissenschaft. Geschichtsauslegung, Zeitkritik und zukunftsweisende Kulturpolitik sind die Kernelemente der "Gelehrtenrepublik". Der ständige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, fiktionalen und historischen Begebenheiten, dichtungs- und geschichtstheoretischen, moralischen, politischen, wissenschaftsgeschichtlichen und gegenwartsbezogenen kulturkritischen Thesen wirkte auf den ersten Blick etwas verwirrend und führte dazu, daß zeitgenössische Aufklärer den Text, aufgrund der eigenartigen Gestaltungsweise, als der öffentlichen Belehrung nicht dienlich, verwarfen. Am Scheitern seiner Idee von der "Gelehrtenrepublik" zeigt sich die begrenzte Autonomie und gesellschaftliche Führungsrolle der Intellektuellen im 18. Jahrhundert - zumindest dort, wo man den Staat und das Verlagswesen in ihrem Handeln nicht kontrollieren konnte.

Klopstocks Vielseitigkeit - Fabrikant, Selbstverleger, Autor - resultierte aus der Erfahrung des gesellschaftlichen und finanziellen Niedergangs seines Vaters. Die "Gelehrtenrepublik" erschien in einem Subskriptionsunternehmen (Selbstverlag Klopstocks), das in dieser Größe für das 18. Jahrhundert eine Besonderheit war. Immerhin war das Subskriptionsunternehmen für Klopstock ein voller Erfolg. Es gab 4.500 Vorbestellungen für seine "Gelehrtenrepublik". In der Subskriptionsliste finden sich so bedeutende Autoren wie Justus Möser, Georg Christoph Lichtenberg, Christoph Martin Wieland, Gotthold Ephraim Lessing und Johann Wolfgang von Goethe.

Klopstock war der erste deutsche Dichter, der die Französische Revolution als des "Jahrhunderts edelste Tat" feierte. Die Verkündung der Menschenrechte in Frankreich 1789 verstand er als Verwirklichung seiner religiös geprägten Vorstellung von einem wahren und natürlichen Zusammenleben der Menschen. 1792 wurde Klopstock neben 17 weiteren Ausländern zum Bürger der Französischen Republik ernannt.

Seinen Lebensabend verbrachte er in Hamburg. Er veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zur deutschen Grammatik und zur deutschen Literatur. 1803 starb Klopstock und wurde unter großer öffentlicher Anteilnahme beerdigt.

1872 gründete sich in Quedlinburg auf Initiative des Quedlinburger Bürgermeisters Dr. Gustav Brecht ein Klopstockverein. Der Verein sammelte den handschriftlichen Nachlaß, alle Gesamt- und Einzelausgaben seiner Werke und sämtliche Veröffentlichungen über Klopstock in anderen Medien. 1896 ging die Klopstocksammlung in den Besitz der Stadt Quedlinburg über, die 1897 das Geburtshaus erwarb. Zum 175. Geburtstag Klopstocks wurde sein Geburtshaus als Museum eröffnet. Bis heute zählt das Quedlinburger Klopstockhaus zu den bedeutendsten Literaturmuseen Deutschlands. Zur Zeit wird das Haus saniert und die Ausstellung überarbeitet. Am 2. Juli 1999, dem 275. Geburtstag des Dichters Klopstock und dem 100jährigen Museumsjubiläum, soll es wiedereröffnet werden.

Klopstock war eine zentrale Gestalt in der Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Privat sagte er von sich: "Ich bin nur ein Gedanke Gottes."

Das Rosenband

Ausgewählte Werke: &127; 1748/73 Der Messias &127; 1769 Hermanns Schlacht &127; 1771 Oden &127; 1774 Die deutsche Gelehrtenrepublik
Ingo Liebe

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