StatistikProtokoll '99

GEFÄHRDETE BAUDENKMALE IN SACHSEN-ANHALT

Schloß Dieskau

Luftaufnahme Schloß DieskauDas 7 km südöstlich von Halle (Saale) gelegene Schloß Dieskau mit seinem ausgedehnten Park erhebt sich am Rande des Dorfes in einer Auenlandschaft am Nordufer der Reide. Zusammen mit der 1728 erbauten Dorfkirche bildet es ein Bauensemble von besonderem Reiz.

Die dreigeschossigen Flügel des Renaissance-Schlosses umfassen auf fast rechteckigem Grundriß an dreieinhalb Seiten den Hof (mit einem Brunnen) und öffnen sich nach Norden zur Dorfkirche hin. Die heutige Baugestalt wird in starkem Maße durch überformungen des Barock (18. Jh.) und der Neorenaissance (1878 bis ca. 1900) bestimmt. An der Hofseite des Ostflügels befindet sich ein Renaissance-Treppentunn, während im Winkel zwischen Süd- und Westflügel ein Neorenaissance-(Schein-)Treppenturm aufragt. Die Hofseite des Südflügels durchbricht ein breites, heute vermauertes Portal aus dem frühen 17. Jahrhundert, das einst die Verbindung zum Park und zu dem weiträumigen Wirtschaftshof südöstlich des Schlosses ermöglichte. Das hofseitige Portal des Westflügels entstammt dem Neorenaissance-Umbau und dient auch heute noch als Eingang. Die axial angeordneten Rechteckfenster, die der Raumanordnung im Inneren entsprechen, gehören größtenteils dem 16. Jahrhundert an. Mehrere Fenster des West- und Südflügels sind mit Segmentgiebeln der Neorenaissance überfangen. Die äußere Wirkung, insbesondere des Westflügels, wurde einst gesteigert durch stattliche Zwerchhäuser, die aber nicht erhalten sind.

Vorausgegangen ist dem Schloßbau eine mittelalterliche Wasserburg, die die Herren von Dieskau errichtet haben. Sie sind vermutlich um 1200 mit Dieskau belehnt worden, haben im Saalkreis reichen Lehnsbesitz erworben und standen im Dienst der Erzbischöfe von Magdeburg, der Bischöfe von Merseburg und der sächsischen Kurfürsten. Vor allem unter Hieronymus von Dieskau d. J. (1565-1625) ist im letzten Viertel des 16. und im ersten Viertel des 17.Jahrhunderts das Renaissanceschloß in wesentlichen Teilen errichtet worden.

Nach dem Aussterben der Dieskauer Linie des Geschlechts (1744) gelangte der Besitz 1746 durch Kauf an den Wolfenbütteler Oberamtmann Johann Friedrich Alburg, dessen zwei Töchter nacheinander mit dem Kammerdirektor des Prinzen Heinrich von Preußen und Kanzler der Universität Halle, Carl Christoph von Hoffmann (1735-1801), verheiratet waren. 1770 auf diese Weise in den Besitz der Güter gekommen, richtete er in Dieskau eine bekannte Musterwirtschaft ein, ließ das Schloß umbauen, den berühmten Park anlegen und machte sein Domizil zu einem Ort geistiger Geselligkeit hallescher Gelehrter.

Das Schloß befand sich bis 1853 im Besitz der Familie von Hoffmann, von 1854 bis 1945 in dem der Familie von Bülow, die den erwähnten Neorenaissance-Umbau vornehmen ließ. Von 1950-1982/83 diente es als Schule. Im Jahre 1984 begann die Freie Deutsche Jugend (FDJ) mit dem Ausbau des Schlosses zu einer Schulungsstätte, ohne dieses Vorhaben zu vollenden. Seit Frühjahr 1998 hat Schloß Dieskau erfreulicherweise einen neuen Besitzer und damit eine Perspektive. Thymo von Rauchhaupt, der einer seit etwa 1200 im Saalkreis ansässigen Familie entstammt, hat das Schloß von der Gemeinde gekauft und will es Schritt für Schritt restaurieren und nutzen. Als erstes sollen im Westflügel nach der Restaurierung Antiquitäten-Ausstellungen stattfinden, während später der Ostflügel vor allem Wohnzwecken und der Südflügel besonders musealen Zwecken dienen soll.

Von der Bauplastik und der inneren Ausstattung des Schlosses aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind viele erhaltenswerte, kunsthistorisch bedeutende Reste überkommen. Vor allem hat sich im ersten Obergeschoß des Südflügels eine ikonographisch bemerkenswerte kassettierte Stuckdecke aus der Zeit zwischen 1619 und 1624 erhalten. Die 12 figürlichen Relieffelder (ursprünglich 18) zeigen religiös-emblematische Darstellungen moralisierenden Inhalts, die den Einfluß von reformiertem Gedankengut und des Erbauungsschriftstellers Johann Arndt erkennen lassen. Als graphische Vorlage für diese Deckenfelder konnte in einer am Institut für Kunstgeschichte der Universität Halle 1997 abgeschlossenen Magisterarbeit (A. Bouvain) das 1619 in Frankfurt/M. erschienene Emblembuch "MONVMENTA EMBLEMATVM CHRISTIANORVM VIRTVTVM..." (Erstausgabe Lyon 1571) der Französin Georgette de Montenay (1540-1571) nachgewiesen werden.

Auf die künstlerisch und geistig anspruchsvolle Ausstattung des Schlosses weist ferner eine ehemalige getäfelte Decke "in einem sehr grossen Saale" (vermutlich im Obergeschoß des Westflüggels), auf der "die so genannten 100 Narren (deren aber nur etliche 70) in abgeteilten Quadratfeldern mit Oehlfarben und darunter geschriebenen Reimen abgemahlet" waren (Joh. Chr. von Dreyhaupt, 1750). Es könnte sich hierbei möglicherweise um eine Illustration nach der berühmten Narrensatire "Hundert Ausbündige Narren" des bedeutendsten Barockpredigers Abraham a Sancta Clara ( 1644-1709) gehandelt haben, die - mit Kupferstichen versehen - 1709 erstmals erschienen ist. Wie die Reliefs der Stuckdecke trugen auch diese Darstellungen einen religiös-erbaulichen Charakter, indem sie unterhalten und belehren und damit sittlich bessern sollten.Obelisk im Schloßpark Dieskau

Der südwestlich des Schlosses sich erstreckende, heute noch etwa 62 ha große Landschaftspark ist in den Grundzügen erhalten, wenn auch ungepflegt und verwildert. Er wurde - wie erwähnt - auf Veranlassung des halleschen Universitätskanzlers von Hoffmann etwa zwischen 1779 und 1784 angelegt. Die weiträumige, von dem englischen Landschaftspark zu Wörlitz beeinflußte Parkanlage gestaltete der bekannte Dessauer Gartenarchitekt Johann Georg Gottlieb Schoch. Wie in Wörlitz wurde die Auenlandschaft in die Parkgestaltung einbezogen. Von Bedeutung waren bzw. sind terrassenförmig angelegte Teiche, Kanäle, alter Baumbestand, Parkbauten und Denkmäler wie Obelisken und Freundschaftsurnen. überkommen sind von diesen einst zahlreichen Gartenarchitekturen nur die ruinöse Orangerie und der 1988 restaurierte Obelisk, der an den halleschen Medizinprofessor und Freund Hoffmanns Johann Friedrich Goldhagen (1742-1788) erinnert. Dem Gedenken an den halleschen Hochschullehrer, Philosophen und Mitbegründer der wissenschaftlichen ästhetik Georg Friedrich Meier (1718-1777) diente ein jetzt umgestürzter Granitstein, der seitens der Martin-Luther-Universität wieder errichtet werden sollte. Das Kulturdenkmal "Dieskauer Parklandschaft" zeigt als Ensemble die Ausstrahlung und Wirkung der humanistischen Ideen der Aufklärung des Dessau-Wörlitzer Kulturkreises im 18. Jahrhundert.

Nachdem der Park zu DDR-Zeiten vor dem angrenzenden Braunkohleabbau gerettet werden konnte und das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt (ehem. Institut für Denkmalpflege) um Pflege und Rekonstruktion bemüht war, werden seit 1993 mittels AB-Maßnahmen erste Schritte zur Rekultivierum, unternommen.

StatistikProtokoll '99