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Merseburger Zaubersprüche

 Ein Mönch aus Fulda, der im zehnten Jahrhundert eine lateinische Handschrift verfertigte, trug auf eine leere Seite zwei Sprüche ein. Sie weisen zurück in die vorchristliche Zeit, müssen vor 750 entstanden sein. Im ersten soll die Beschwörungsformel der in den Kampf eingreifenden "hehren Mütter" gefangene Krieger befreien. Im zweiten versteht es Wotan besser als vier Göttinnen, den verrenkten Fuß eines Pferdes zu "besprechen". Als eine der ältesten Dokumente deutscher Literatur wurden die Zaubersprüche in der Merseburger Dombibliothek entdeckt und 1941 von Jacob Grimm in ihrer Bedeutung gewürdigt.

Befreiung

Eiris sâzun idisi, sâzun hêra duoder.
suma hapt heptidum, suma heri lezidun,
suma clûbôdun umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandum, inuar uîgandun!
Einst setzten sich Idisen, setzten sich hehre Mütter,
einige hefteten Haft, einige hemmten das Heer,
einige klaubten an den Kniefesseln:
Entspringe den Haftbanden, entfliehe den Feinden!

Heilung

Phol ende Uuorun zi holza.
dû uuart deme Balderes uolon sîn uuoz birenkit.
thû biguol en Sinthgunt, Sunna era suister,
thû biguol en Frîia, Uolla era suister,
thû biguolen Uuodan sô hê uuola conda:

sôse bênrenkî, sôse bluotrenkî,
sôse lidirenkî:
bên zi bêna, bluot zi bluoda,
lid ze geliden, sôse gelimida sîn!

Phol und Wodan ritten in den Wald,
da ward dem Fohlen Balders sein Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt (und) Sunna, ihre Schwester,
da besprach ihn Frija (und) Volla, ihre Schwester,
da besprach ihn Wodan, wie (nur) er es richtig verstand:

Wie die Beinrenke, so die Blutrenke,
so die Gliedrenke:
Bein zu Beine, Blut zu Blute,
Glied zu Gliedern, als ob sie aneinandergefügt seien!