Friedrich NietzscheDer Philosoph und Philologe Friedrich Nietzsche (1844-1900) trat als radikaler Kritiker christlich-abendländischer Wertvorstellungen hervor.In einer Umwertung aller Werte propagierte er den neuen Typus des Übermenschen", der Jenseits von Gut und Böse (1886), d.h. unabhängig von traditionellen Normensystemen, zu einer Versöhnung des Gegensatzes von geistiger und triebhafter Existenz (apollinischem und dionysischem Prinzip) gelangen könne. |
Leben und Werk
Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 in Röcken bei Lützen geboren. Im Alter von fünf Jahren verlor er seinen Vater, einen lutherischen Pfarrer, und wurde von seiner Mutter in einem Haushalt erzogen, in dem auch seine Großmutter, zwei Tanten und seine Schwester lebten. Nach dem Studium der klassischen Philologie in Bonn folgte er seinem Lehrer F. W. Ritschl nach Leipzig und erhielt 1869 auf dessen Empfehlung eine Professur für klassische Philologie an der Universität Basel, die er im Alter von 24 Jahren antrat. Nietzsches Gesundheitszustand, insbesondere ein schweres Augenleiden, zwang ihn 1879 dazu, seine Professur aufzugeben. Die darauffolgenden zehn Jahre lebte er als freier Philosoph an verschiedenen Orten, u. a. in Venedig, Genua, Rapollo und Nizza. Nach einem psychischen Zusammenbruch 1889 fiel Nietzsche in geistige Umnachtung. Er starb am 25. August 1900 in Weimar.
Neben dem Einfluß der altgriechischen Kultur, vor allem der Philosophie Platons und Aristoteles, wurde Nietzsche von dem Philosophen Arthur Schopenhauer, der Evolutionstheorie und seiner Freundschaft mit dem Komponisten Richard Wagner geprägt.
Nach Nietzsche haben die traditionellen Werte, wie sie sich vor allem im Christentum finden, ihre Gültigkeit verloren. Dieser Prozeß ist für ihn Ausdruck des Nihilismus, den er auf die Formel bringt: "Gott ist tot". Nietzsche versteht die christlichen Werte als Ausdruck einer "Sklavenmoral", die aus den Ressentiments der Schwachen hervorgegangen sei. Er behauptete, daß neue Werte geschaffen werden könnten, um die traditionellen zu ersetzen. Die Erörterung dieser Möglichkeit führte zu seinem Entwurf des Übermenschen.
Laut Nietzsche verhielten sich die Massen, die er auch die Herde nannte, traditionskonform, während sein idealer Übermensch selbstsicher, unabhängig und individualistisch sei. Er sei zu tiefen Gefühlen fähig, beherrsche aber seine Leidenschaften mittels der Vernunft. Statt sich auf den Lohn in einer kommenden Welt zu verlassen, wie er von der Religion versprochen werde, richte er seine Aktivitäten auf das Diesseits und bejahe das Leben, und darin auch Leid und Schmerz als Teil der menschlichen Existenz. Nietzsches Übermensch ist selbst der Schöpfer der Werte, einer "Herrenmoral", die die Stärke und Unabhängigkeit dessen widerspiegelt, der sich von allen ihm auferlegten Werten befreit und nur die Werte annimmt, zu denen er sich selbst entschieden hat.
Nietzsche behauptete, daß sich alles menschliche Verhalten aus dem Willen zur Macht herleite. Positiv verstanden, handele es sich dabei nicht einfach um Macht über andere, sondern um die Macht über sich selbst als Voraussetzung für die eigene Schaffenskraft. Diese Macht manifestiere sich in der Unabhängigkeit, Kreativität und Originalität des Übermenschen. Obwohl Nietzsche ausdrücklich verneint, daß es solche Übermenschen bereits gegeben habe, erwähnt er doch einige Menschen, die er als Vorbilder ansieht: Sokrates, Jesus Christus, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Shakespeare, Goethe, Julius Caesar und Napoleon.
Der Begriff "Übermensch" als auch die Begriffe "Willen zur Macht" und "Herrenmoral" wurden von den Nationalsozialisten mißbräuchlich aufgegriffen und politisiert, wobei es sich jedoch um eine Fehldeutung von Nietzsches Werk handelte, da Nietzsche z. B. den deutschen Nationalismus, den Antisemitismus sowie den Biologismus entschieden ablehnte und kritisierte.
Die bedeutendsten Werke, die Friedrich Nietzsche verfaßte, tragen folgende Titel: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (1872), Unzeitgemäße Betrachtungen (1873-1876, 4 Bde.), Menschliches, Allzumenschliches (1878), Morgenröte (1881), Die fröhliche Wissenschaft (1882), Also sprach Zarathustra (1883-1891, 4 Bde.), Jenseits von Gut und Böse (1886), Zur Genealogie der Moral (1887).
Wirkung
Als Schriftsteller übte Nietzsche großen Einfluß auf die deutsche Literatur, insbesondere Rainer Maria Rilke, Robert Musil, Stefan Zweig, Thomas Mann, Hermann Hesse und Gottfried Benn sowie die französische Literatur aus, u. a. auf Michel Foucault und Jacques Derrida. In der Psychologie wirkte er auf Sigmund Freud, Ludwig Klages und Carl Gustav Jung. Über seine Gedanken wurde viel diskutiert und gearbeitet, u. a. von den Philosophen Karl Jaspers und Martin Heidegger, dem deutschjüdischen Philosophen Martin Buber, dem deutschamerikanischen Theologen Paul Tillich sowie den französischen Schriftstellern und Philosophen Albert Camus und Jean-Paul Sartre. Nietzsches Proklamation "Gott ist tot" wurde von Thomas J. J. Altizer und Paul van Buren, radikalen amerikanischen Theologen der Nachkriegszeit, aufgegriffen, als sie in den sechziger und siebziger Jahren dem Christentum zu neuer Bedeutung verhelfen wollten. Siehe auch Existenzialismus.
Werke
Der neue Columbus
Die Krähen schrei'n (der Freigeist)
Lebensregeln
Diesen ungewissen Seelen
Sprüche
Prinz Vogelfrei
Der Antichrist